Birgit Huebner

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arbeitsalltagportraits

Installation im Luftraum

Birgit Huebners Installation schwebt in einem haushohen Innenraum. Dieser großen Vertikale setzen sich runde Rahmen, auf halber Höhe sternförmig zusammengestellt, entgegen, machen filigran die Schwerkraft vergessen. Zugleich ist die öffentliche Ernsthaftigkeit des Gebäudes kontrapunktiert: erinnern die Rahmen mit ihrer Bespannung nicht ein wenig an Stickrahmen mit über-hängendem Stoff? Diese auf den ersten Blick spielerische Auseinandersetzung mit Schwerkraft und Öffentlichkeit findet aus der Nähe betrachtet eine Fortsetzung im Sujet der Bilder. Auf durchscheinendem Papier reproduzierte Schwarz-Weiß-Photographien zeigen dem Betrachter Menschen bei alltäglichen Handlungen. Indessen bannt der Moment der Aufnahme die vorgebliche Trivialität in geometrisch inszenierte Haltungen. Spärliche Requisiten und eine im harten Kontrast von Schwarz und Weiß kaum wahrnehmbare Andeutung von Innenraum erlauben dem Blick keine Abschweifung. Gefesselt der Blick, gebunden an einen einzelnen eingefangenen Moment einer Bewegung: so beginnt unweigerlich die Einbildungskraft, die Statik des Bildes aufzulösen. Die Geometrie wird zum Bewegungsballett, die Photographierten scheinen aus der immergleichen Rundung des Rahmens und der Flächigkeit des Bildes ausbrechen zu wollen. Stillstellung verwandelt sich in Inszenierung energiegeladener Individualität. Körpertheater, das durch die Intensität des Festhaltens vom Widerstand gegen die Schwerkraft zeugt, wider alle bereits geleistete überwindung: Schweben der Rahmen, Schweben der Personen im Bild, nicht zu reden vom Aufzug des Rathauses.
In der Drehung der durchscheinenden Bilder wird dieses Pathos der Identität von Körper und Person freilich ironisch gebrochen: das Körper-Abbild ist beidseitig mit sich identisch. Und wo findet solch überschießende Selbstidentität ihren gesellschaftlichen Ort?
Achten Sie jedenfalls beim Verlassen der Ausstellung darauf, Ihre Rückseite mit sich zu nehmen….

Doris Dorner

aus: „1994-1999 memory. birgit huebner“

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